4.  Bewusstsein und Intelligenz

 4.1  Lebewesen, Gehirn, Nerven
 4.2  Bewusstsein und Intelligenz – eine weitere Annäherung
 4.3  Eine Dynamik des Gehirns: Gedächtnis und Lernen

4.1.  Lebewesen, Gehirn, Nerven


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Abbildung 4.1: Der Stammbaum der Lebewesen beweist die Vielfalt ihrer Entwicklung und Daseinsformen.


Leben existiert auf der Erde in einer sehr grossen Vielfalt. Es ist eine Daseinsform aller Lebewesen bzw. Organismen. Es exisiert als einfacher Einzeller und es gibt die höheren Lebewesen. Je höher die Lebensform, desto komplexer ist dieses System. Der Mensch, als höheres Lebewesen, gehört zur Gattung der Säugetiere. Abb. 4.1 zeigt einen üblichen Stammbaum der Lebewesen.

Lebewesen oder Organismen besitzen einen Stoffwechsel, können sich selbst reproduzieren und besitzen auf Grund ihrer Ausstattung und Struktur eine gute Anpassungfähigkeit. Die Anpassung kann für ein Lebewesen in einem entsprechenden Lebensraum, z.B. durch Veränderung der genetischen Ausstattung, schnell oder langsam erfolgen. Jeder Organismus besitzt eine Struktur, es ist ein komplexes System. Reduziert man die Eigenschaften von Organismen auf ihre Grundstrukturen, Moleküle und Atome, so erklärt dies jedoch noch nicht das Lebewesen als solch ein komplexes System. Das Leben ist eine emergente Eigenschaft dieser Organisation von Raum, Zeit, Energie und Materie. Viren als Lebewesen gelten als ein Grenzfall in dieser Betrachtung, auf jeden Fall sind sie an lebende Wesen gebunden.

Abb. 4.2 zeigt ein Schema eines Lebewesens in einer Systemdarstellung. Ein Lebewesen interagiert mit seiner Umwelt und tritt mit ihr in Wechselwirkung. Dabei werden Materie, Energie oder Informationen aus der Umwelt verwertet bzw. in die Umwelt abgegeben. Man hat ein reales Ereignis in dieser Umwelt, was von dem Orgamismus erlebt wird. Dabei ist das Ereignis und das Erleben immer an eine konkreten Sachverhalt geknüpft. Man kann dies durch ein entsprechendes Koordinatensystem beschreiben.


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Abbildung 4.2: Schematische und formalisierte Darstellung eines Lebenwesen in der Wechselwirkung mit der Umwelt.


Die Strukturen von Organismen setzen sich aus Zellen zusammen. Die Zellen sind eine Grundstruktur von Organismen. Die Neuronen sind die Basiszellen von Hirnstrukturen, vgl. auch Kapitel 6. Die Lebewesen auf der Erde, also die Zellen, bestehen zum grossen Teil aus Wasser und Kohlenstoff. Neben den Kohlenwasserstoffen, d.h. der Verknüpfung dieser Elemente, exitieren auch noch andere chemische Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff, Natrium, Kalium, Chlor und Phosphor in den Strukturen und Zellen von Lebewesen. Eine eindeutige Definitionen von Leben, somit von Lebewesen, gibt es nicht. Im Allgemeinen betrachtet man das Leben neben den oben angeführten Eigenschaften als ein System welches sich selbst reguliert. In diesem Buch geht es um das Bewusstsein und die KNN. Das Bewusstsein ist an das Gehirn gebunden, d.h. es geht letztlich um eine Komponente oder Struktur von höheren Lebewesen.

Diese Komponente, besser dieses Organ, steuert z.T. die aktive Wechselwirkung von höheren Lebewesen mit der Umwelt. Eine Beschreibung dieser biologischen Grundlagen von KNN, als einer Beschreibungsmöglichkeit oder Anwendung, wird im nachfolgenden Kapiteln versucht oder man findet es in (Tho94; Rot03) oder in (Koc05; JGN92). Nimmt man die Abb. 4.2 als Grundlage kann man die Abb. 2.1 auch auf das Gehirn beziehen.


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Abbildung 4.3: Weiterführung der Idee eines schematischen Lebewesens, hier eine Vorstellung zum Gehirn in der Wechselwirkung mit der Umwelt.


In Abb. 4.3 funktioniert das Gehirn als Steuerung, ist in Wechselwirkung mit anderen Organismen und der Umwelt. Dabei stellt sich der Mensch, als das höchste Lebewesen, diese Steuerung als die Interpretation von Gedanken vor. Es ist die Idee eines Regelkreises. Das Abbild der Wirklichkeit wird auf ein internes Modell reduziert. Die Vorgänge dieser Modellbildung werden abstrahiert. Dabei sind bestimmte Hirbereiche aktiv, die nicht unbedingt in diesem Zusammenhang stehen.

Lebewesen oder Organismen als Struktur sind selbst Struktur bzw. enthalten eine Struktur. Die Grundstruktur des Lebens ist die Zelle. Im Gehirn sind dies, wie bereits erwähnt, die Neuronen. Als Nerven werden auch die Gebilde verstanden, wo ganze Populationen von Neuronen durch ihre Verbindungen einen definierten Bereich bilden. Bei dem Gehirn als Organ spricht man manchmal auch vom Nervensystem, meint aber meist nur das zentrale Nervensystem ohne Berücksichtigung des Rückenmarks.

Bei der Erforschung dieser neuronalen Strukturen hat eine Schnecke einen bedeutenden Anteil. Die Meeresschnecke Aplysia besitzt ein relativ einfaches Gehirn. Etwa 20.000 Neuronen sind im Gehirn dieser Schnecke enthalten. Da diese Zellen gut zu separieren waren und sind, eignete sie sich zur Erforschung der Verhaltensweisen von Neuronen und der Funktion des Gehirns als Gesamtorgan. Dokumentiert ist dies am Beispiel der Gedächtnisforschung in (Kan06).

Die Erkennung funktionell wesentlicher Strukturen in einem Organismus beruht auf der Erkenntnis, das diese Unterscheidung einen gewissen Einfluss auf die Betrachtung des Verhaltens oder die Wechselwirkung des jeweiligen Organismus hat. Die Organisation von inneren Teilstrukturen reflektiert auf die Art und Weise, wie bestehende Mechanismen arbeiten. Hat man z.B. einen höheren Organismus – egal ob Mensch oder Aplysia – so tritt er in Wechselwirkung mit der Umwelt. Diese Wechselwirkung beruht nun aber auf der Steuerung durch das Gehirn als Unterstruktur. So wird die Atmung als Reflex zwar unbewusst vom Gehirn gesteuert, man kann aber die Atmung auch bewusst modifizieren. Diese Steuerung wird nun seinerseits zusammengebracht durch das Zusammenwirken von anderen Teilstrukturen, z.B. die Motorik des Bewegungsapperates.

Eingangs wurde bereits erwähnt, dass die Unterteilung in kleinere Bestandteile nicht immer das Gesamtsystem erklärt. Aber die Teilfunktion einer jeden Unterstruktur ist notwendig für das ganze System.


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Abbildung 4.4: Die Struktur folgt der Funktion. Ausgehend von einem höheren Lebewesen kann man die Funktionen bestimmten Unterbereichen zuordnen.


So wie das Leben eine emergente Eigenschaft von Organismen ist, so ist Bewusstsein und Intelligenz eine Eigenschaft von höheren Lebewesen mit einem Gehirn. Da beide Eigenschaften messbar sind, z.B. Bewusstheit als Wacheitsgrad oder der Intelligenzquotient, sind sie Merkmale der Struktur Gehirn. Beide Eigenschaften haben aber auch eine Bedeutung bei Unterstrukturen des Gehirns, vgl. (Koc05). Die in Abb. 4.4 angeführten Strukturen werden im den weiteren Ausführungen genauer lokalisiert und erklärt.

4.2.  Bewusstsein und Intelligenz – eine weitere Annäherung

Mit dem Begriff Intelligenz ist meistens die geistige Fähigkeit zum Erkennen von Zusammenhängen und der Lösung von Problemen gemeint. Allgemein spricht man vom Gebrauch des Verstandes. Intelligenz ist nach (Wol88) eine der höchsten Formen von psychischen Leistungen eines Lebewesen. Sie ist gekennzeichnet durch die kognitiven Fähigkeiten, wie z.B. Verstehen und Abstraktion. In der Vielzahl der Tierarten gibt es unterschiedliche Grade der Intelligenz. So gibt es intelligentes Verhalten von Vögeln, so z.B. von Elstern oder Raben. Bei dem Primaten, vor allem beim Menschen, hat die Intelligenz, nach dem bisherigen Wissenstand, den höchsten Grad erreicht. Intelligenz hat sich im Zusammenhang mit dem Handeln und Wirken in und mit der Umwelt entwickelt und tritt bei der aktiven Gestaltung mit ebendieser Wechselwirkung auf. Intelligenz ist auch an den Begriff Bewusstsein gekoppelt. Auf die Fragen des Bewusstseins wurde z.T. schon im Abschnitt 2.1 eingegangen.

Da in diesem Teil der Abhandlung einige biologische Grundlagen behandelt werden sollen, geht es um die Basis von Intelligenz und Bewustsein. Dies bedeutet allgemein die Verarbeitung von Signalen und Informationen im Gehirn im Zusammenhang mit dieser Betrachtung. Beim Menschen sind es die Vorgänge und Abläufe in den Hirnbereichen, welche in diesem Zusammenhang von Interesse sind. Intelligenz wird aber nicht als ein festes Faktum verstanden, sondern setzt sich aus und ergibt sich auch aus der Wechselwirkung.


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Abbildung 4.5: Die menschliche Intelligenz setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Erst die „Einzelintelligenzen“ bilden die Gesamtheit.


Man kann Intelligenz als allgemeinen Oberbegriff verstehen, mit dem die Intelligenz bei einer bestimmten Fähigkeit gemeint ist. So hat die Speicherung von Wissen, was für einen Menschen wichtig ist, einen anderen Stellenwert, als die körperlich-kinästhetischen Fähigkeiten bei einem in freier Wildbahn lebenden Affen. Bei diesen Fähigkeiten übermittelt der Bewegungsapperat eines Lebewesens über die Muskeln und das Skelett seinen Zustand dem Gehirn um eine Reaktion, z.B. Flucht, zu erreichen.(Dam04)

Man kann leicht erkennen, dass die „Einzelintelligenzen“ immer im Zusammenhang stehen. Extreme Ausprägungen einer Intelligenzart sind häufig das Zeichen einer psychischen Störung, man betrachte nur das Verhalten von Autisten, vgl. (Lur92). Bewusstsein wird im physischen Sinne auch als Wachheit bzgl. der Intelligenz bezeichnet. Somit ist Intelligenz auch an Bewusstsein gebunden. Bewusstsein ist nach (Cal04, S. 13) die Kenntnisnahme oder ein Suchscheinwerfer der selektiven Aufmerksamkeit, was aber zumindest auch Intelligenz voraussetzt.


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Abbildung 4.6: Intelligenz und Bewusstsein bilden ein Netzwerk von Verflechtungen.


Die Abbildung 4.6 zeigt ein schematisches Netzwerk der Verknüpfungen von Intelligenz und Bewusstsein. Ein wichtigen Schwerpunkt dieses Netzes bilden die Begriffe Gehirn, Nervensystem und Neuron. Sie werden nachfolgend noch erläutert und sind die eigentliche Grundlage von Intelligenz und Bewusstsein. Auf den Modellvorstellungen dieser Begriffe basieren letztlich auch die KNN.

Neben der Verknüpfung von Intelligenz und Bewusstsein auf verschiedenen Betrachtungsebenen gibt es aber auch eine hierachische Struktur dieser Begriffe. Dies ergibt sich aus der Vielzahl der Lebewesen und deren Klassifikation. So ist das Bewusstsein von Reptilien anders strukturiert als das Bewusstsein von Säugetieren. Innerhalb eines Gehirns bilden sich mentale Bilder, mitunter auch als Gedanken bezeichnet. Mittels dieser Bilder oder Gedanken reagiert ein Lebewesen auf seine Umwelt. Unter den Säugetieren existiert neben dem Bewusstsein als Aufmerksamkeit von Wahrnehmung auch noch das Selbstbewusstsein. Der Mensch ist sich seiner selbst bewusst, vgl. (Hof88; Hof08). Er kann seine Gedanken interpretieren. Die Möglichkeiten des Erkennens, des Erfahrens oder das Lernen sind ausgeführte Umgestaltungen von Informationen von und zur Umwelt. Intelligenz und Bewusstsein baut auf Neuronen, Neuronenverbänden (Netzen) und Hirnbereichen auf. Man kann aber nicht von diesen auf die Intelligenz und das Bewusstsein schliessen. Die Betrachtung der jeweiligen Ebenen sind Schwerpunkte der Kognitionswissenschaften, vgl. (Pos04). Kognition ist ein Begriff, der je nach der Betrachtung und Aufgabenstellung verwendet wird.

In den Abbildungen 4.5 und 4.6 ist Wissen ein wichtiger Punkt in der Betrachtung. Wissen erwerben oder speichern, als eine Eigenschaft von Intelligenz und Bewusstsein, geschieht meist durch Denken. Denken ist eigentlich der Oberbegriff, da es die psychischen Vorgänge bewirkt, die zu mentalen Bildern, Gedanken oder Erkenntnissen führt. Hier kommt eine Dynamik zum Vorschein, die besonders beim Menschen ein wichtiger Vorteil in seiner evolutionären Entwicklung war. Die Dynamik ergibt sich aus der Verknüpfung der Gedanken oder der mentalen Bilder die man als Lernen bezeichnet. Zwar können auch Tiere lernen, aber nur der Mensch kann dieses Lernen zur Selbsterkenntnis und aktiven Veränderung der Umwelt nutzen.

4.3.  Eine Dynamik des Gehirns: Gedächtnis und Lernen

Eine der wichtigsten Grössen mit der die Wechselwirkung von Lebewesen untereinander und mit der Umwelt ist die Information. So ist das Gedächtnis die Fähigkeit von Lebewesen aufgenommene Informationen zu speichern, zu klassifizieren und bei Bedarf wieder abzurufen. Diese Informationen sind das Resultat von bewussten und unbewussten Lernprozessen. Unter Lernen wird der gewollte Erwerb (intentional) oder beiläufige (impliziert) Zuwachs von geistigen, körperlichen und gesellschaftlichen Fertigkeiten und Kenntnissen, auch durch Informationen. Lernen ist eine Veränderung von Verhalten in einem Wechselwirkungsprozess. „Wenn es etwas gibt, was Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichnet, dann ist es die Tatsache, dass wir lernen können und dies auch zeitlebens tun.“ in (Spi07, S. XIII). Beide Vorgänge sind mit dem Gehirn verbunden.

Wenn man das Gehirn als eine Steuerzentrale eines Organismus versteht, so ist das Gedächnis verantwortlich für die Speicherung der entsprechenden oder geeigneten Informationen. Sprachen, auch die Muttersprache, basieren zum Teil auf Gedächtnisprozessen. Dem wird man sich bewusst, wenn man versucht eine Fremdsprache zu erlernen. Dies gilt auch für die sich wiederholenden Fakten, die als Wissen oder Gefühl im Rahmen einer Wechselwirkung auftreten. Man kann als Erkenntnis, auch aus dem Abschnitt 4.2, feststellen, das Bewusstsein auf Intelligenz beruht. Dieses wäre aber unmöglich ohne das Gedächtnis und das Lernen.


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Abbildung 4.7: Versuch der Darstellung eines Lernprozesses durch Lesen, basiert auf der Abb. 2.2.


Die Abbildung 4.7 demonstriert einen Lernprozess. Durch Lesen erfährt ein Leser etwas über KNN. Mit diesem Wissen kann er weitere Gedanken aus dem Buch erfassen und verarbeiten. Die markierten Abschnitte im Gehirn sollen verdeutlichen, dass bestimmte Regionen, z.B. des Sehsystem, im Gehirn an der Gedächtnis- und Lernleistung beteiligt sind. Man kann erkennt, Gedächnis und Lernen sind Prozesse, die nicht statisch ablaufen. Man findet eine Dynamik wieder, die sich auf alle Ebenen der Betrachtung beziehen.

Basieren Gedächnisinhalte auf einer unteren Ebene auf Spuren die Neurotransmitter hinterlassen, vgl. (Kan06), so basieren Lernvorgänge auf einer Herausbildung einer bestimmeten Verbindungsstruktur von Nervenzellen (Cal04; Spi07). Auf einer höheren Ebene agiert ein ganzer Körper bei Wiederholen einer Gedächtnisleistung mit Anspannung (Nackenhaltung) oder beim Lernen durch Konzentration (Scheinwerfer auf das Faktum oder Ausblenden der Umwelt).

Das Gedächnis für Wissen, welches beim Denken und Entscheiden verwendet wird, basiert auf der Form von Vorstellungsbildern. Die Grundlage der Vorstellungen ergibt sich aus den Wahrnehmungen der Sinne und entsprechenden Verknüpfungen (Dam06). Das Abrufen von Wissen oder Inhalten, z.T. auch das Erzeugen von Inhalten, bedeutet das Aktivieren von Neuronen bzw. von Hirnbereichen nach bestimmten Gesetzmässigkeiten. Das Gedächtnis funktioniert nicht wie der Speicher eines Computers. Dort werden die Inhalte durch einen bestimmten Adressbereich addressiert und abgerufen. Ein Gedächtnis arbeitet mit Bildern und Assoziationen, d.h. ein bestimmter Begriff oder ein bestimmtes Bild, z.B. Blume, aktiviert weitere, meist detaillierte, Bilder oder Begriffe, z.B. Rosen oder Tulpen. Auf einige Details wird in den Nachfolgekapiteln eingegangen.

Natürlich können Lernen und Gedächtnis hier nur oberflächlich angedeutet werden. Auf jeden Fall sind viele Parameter in diesen Prozessen beteiligt. Je nach Betrachtungsebene, so zum Beispiel in der Abb. 4.7, sind verschiedene Bereiche eines Hirns aktiv. Auf der molekularer Ebene sind dies Funktion und das Verhalten von Transmittern oder die jeweiligen Ionenkonzentrationen die Umsetzung. Basis für die Vorgänge bleiben aber das Gehirn und die entsprechenden Zellen, die Neuronen.